Deutsche Einheit – zwei Pastoren berichten aus persönlicher und gemeindlicher Sicht

Als die Grenze sich öffnete und Deutschland später wieder vereint wurde, begann auch für viele Menschen und Gemeinden ein neues Kapitel. Neue Möglichkeiten taten sich auf. Zwei Pastoren, Timo Heimlich und Simon Gottschick, berichten von den Auswirkungen der Deutschen Einheit auf ihr Leben und ihre Tätigkeit.

Gottesdienst im Freien (während der Corona-Zeit) in Berlin-Pankow.

Welch eine Wende!

Der Mauerfall veränderte die Weltgeschichte. Privat hat er neue Möglichkeiten eröffnet. (Meine Frau Manu wurde in der ehemaligen DDR geboren, ich in der BRD. Sie wuchs in Zossen auf und dann in Wünsdorf, neben dem sowjetischen Hauptquartier, ich in Iserlohn). Jetzt gründen wir beide Gemeinden, wo hochrangige Angehörige der DDR – Regierung wohnten, wo die Grenze gestürmt wurde und wo vier Alliierte mit zwei Deutschlands während der Wende die Zukunft verhandelten. Teil dieser Geschichte zu sein, ist für uns heute selbstverständlich – trotzdem ist es ein Wunder, ein Geschenk.

Heute können wir ohne Furcht von Ost nach West und umgekehrt wechseln. Kürzlich war ich zum Beispiel mit meiner Frau paddeln. Es ging von West-Berlin über die alte Grenze ins Havelland – auch dank Wiedervereinigung. Wir passierten die legendäre Glienicker Brücke, wo während des Kalten Krieges der Agentenaustausch zwischen Ost und West stattgefunden hatte. Nun konnten wir hier, „Ossi“ und „Wessi“ in einem Boot, einen Fotostopp einlegen. Vor Jahren hätten wir das noch mit dem Leben bezahlt. Welch eine Symbolik, welch eine Wende!  – Timo Heimlich, Pastor KircheHoch3, FeG Berlin – Pankow.

Neue Chancen für Menschen und Gemeinden

Ich selbst wurde als dritter von sieben Söhnen im Januar 1981 in Salzwedel in Sachsen-Anhalt geboren. Somit erlebte ich noch bis zum Beginn der 3. Klasse die ehemalige DDR persönlich. Bereits 14 Tage nach dem Mauerfall (23.11.1989) sind wir als Familie (Eltern mit 7 Söhnen) nach West-Deutschland ausgereist. Meine Eltern hatten bereits dreieinhalb Jahre zuvor einen Ausreiseantrag gestellt.

Danach kam der radikale Wechsel, der sich für mich als Kind am stärksten in Form von mehreren Schulwechseln äußerte (ich war in drei Grundschulen). Doch im Gegensatz zu meiner Mutter, die als Pfarrerstochter in der DDR nicht studieren durfte und sich daher als Krankenschwester ausbilden ließ, standen mir nun nach meiner Schulzeit alle Möglichkeiten offen. Ich entschied mich für den Beruf des Bankkaufmanns, studierte aber anschließend Theologie.

Mein sechsmonatiges Praktikum absolvierte ich 2005-2006 in den neuen Bundesländern – in der Freien evangelischen Gemeinde Chemnitz. Diese Gemeinde entstand 1994 und zählte zu der Zeit, als ich dort zum Praktikum war, keine 30 Mitglieder. Mir fiel der Gegensatz auf. Während im Westen viele Gemeinden offensiv Werbung machten für ihre Veranstaltungen, war man in der ehemaligen DDR zu jener Zeit in der Regel eher zurückhaltend. Die Gemeinderäume befanden sich meist in einem Hinterhof, waren also von der Straße nicht sofort ersichtlich. Das war ohnehin ein Kennzeichen von christlichen Gemeinden in der DDR, dass sie eher nach innen gekehrt waren, um nicht zu stark aufzufallen. Nur so hatte man sich vor der Wende der Kontrolle der Stasi entziehen können.

Ganz krass sollte ich das erleben, als ich damals einem Sonntag nicht nur in Chemnitz predigte, sondern auch in der kleinen FeG in einem Ort vor den Toren der Stadt. Das Gemeindehaus sah von außen total unscheinbar aus – wiederum wahrscheinlich bewusst. Inzwischen hat sich in den Neuen Bundesländern vieles sehr positiv verändert. Vielen bekannt ist die Freie evangelische Gemeinde „Goldenes Lamm“ in Dresden. Ihr angegliedert ist eine Musikschule. War es früher nur ein kleiner Kreis, der sich hier traf, nehmen inzwischen zu normalen Zeiten mehrere Hundert an den Gottesdiensten teil.

Im Gegensatz zu früher besteht heute die Möglichkeit, den Menschen im Osten Deutschlands das Evangelium ganz frei zu erzählen. Die Herausforderung besteht darin, dass viele (gerade der älteren Jahrgänge) stark durch die DDR geprägt worden sind, denn sie hatte zum Ziel, die Menschen areligiös zu erziehen. Der Vorteil dabei ist wiederum, dass sie keine Negativerfahrungen mit Christen haben und so zum Teil auch offener sind für die Gute Nachricht von Jesus. – Simon Gottschick, Pastor FeG Herborn

 

 

Herzliche Einladung am 03.10.20 im Herborner Stadtpark, das Jubiläum von 30 Jahren Wiedervereinigung zu feiern!

Anmeldung: https://gemeindeamhintersand.church-events.de/event/register/9